Frühjahrssynode 2016 - Zweiter Tag


Diskussion über kirchliches Arbeitsrecht

Vizepräsident Helge Johr hat den weiteren Verlauf der Diskussion über eine Öffnung des kirchlichen Arbei tsrechts vorgestellt. Die EKD habe jetzt einen ersten Entwurf einer Änderung der Richtlinie vorgestellt, die bislang die Beschäftigung von Nicht-Christen ausschließt. Alle Landeskirchen seien nun zu Stellungnahmen aufgefordert. Der Zeitplan sehe bislang vor, dass die Gesamtsynode im Herbst entscheiden könne, ob sie einer Neufassung der sogenannten Loyalitätsrichtlinie zustimmen will. Bislang habe in der Evangelisch-reformierten Kirche die Fassung von 2005 Gültigkeit.


Theologischer Nachwuchs fehlt

Kirchenpräsident Marin Heimbucher hat vor Engpässen beim theologischen Nachwuchs gewarnt. Es gebe zur Zeit die paradoxe Situation, dass die Evangelisch-reformierte Kirche aktuell noch Pastorenstellen abbauen müsse, viele in den nächsten Jahren durch Pensionierung frei werdende Stellen aber nicht besetzt werden könnten. In den kommenden elf Jahren werden von den 142 Pastorinnen und Pastoren 64 in den Ruhestand gehen, sagte die für Ausbildung zuständige Pastorin Hilke Klüver im Personalbericht vor der Gesamtsynode.

Heimbucher warb für eine Solidarität unter den Kirchengemeinden. Es könne bei der Neubesetzung von Pfarrstellen nicht in allen Regionen der gleiche Maßstab gelten. Bislang gilt, dass einer Kirchengemeinde mit 1800 Mitgliedern eine volle Pfarrstelle zusteht. Heimbucher sagte: „In der einen Situation dürfen es dann eben auch ein paar hundert Gemeindeglieder mehr sein, in einer anderen ein paar Hundert weniger.“ Im Moderamen gebe es unterschiedliche Überlegungen, wie dem absehbaren Pfarrermangel begegnet werden könne. Dazu gehörten, so Heimbucher die Möglichkeit, Menschen über 40 Jahre ins Beamtenverhältnis zu übernehmen, Teilzeitpfarrstellen einzurichten oder auch pensionierte Pastoren eine Verlängerung des Dienstes anzubieten. Geprüft werde auch, ob eine Art Punktesystem die Freigabe von Pfarrstellen in unterschiedlichen Situationen regeln könne.

Klüver sagte, dass die lange Ausbildungszeit im Theologiestudium und der anschließenden kirchlichen Ausbildung manchen jungen Menschen abschrecke. „Deshalb ist es wichtig, dafür gute Werbung zu machen“, forderte sie. Heimbucher forderte, dass alle Überlegungen mit berücksichtigen müssten, wie im Pfarramt Berufstätigkeit, Familienarbeit und eigene Interessen sinnvoll miteinander verbunden werden könnten. „Das traditionelle Modell, nach dem der eine Ehepartner voll in seinem Beruf aufgeht, während der andere ihm dafür ‚den Rücken freihält‘, gehört unwiderruflich der Vergangenheit an.“


Der Personalbericht als pdf


„Dieser Krieg stellt den Glauben auf die Probe“

Ökumenepastor Thomas Fender hat vor der Gesamtsynode über die Situation der Christen im Nahen Osten berichtet. Im Februar traf er in Beirut Vertreter der evangelischen Kirchen in Syrien und im Libanon, Mitte April nahm Pastorin Sabine Dreßler für den Reformierten Bund an einer Konsultation der National Evangelical Synod of Syria and Lebanon teil. Fender sprach davon, dass sich die Situation der Christen in der gesamten Region seit dem sogenannten Arabischen Frühling dramatisch verschlechtert habe. Es gebe zwar noch Staaten wie Jordanien und den Libanon, in denen sich Christen sicher fühlen könnten. Würden diese Länder aber in die Konflikte anderer verwickelt, sieht er die Gefahr, dass noch Christen mehr aus der Region flüchten. In Syrien etwa lebten von etwa 1,8 Millionen Christen im Jahr 2011 jetzt nur noch geschätzte 600.000 bis 900.000.

In den Kriegsgebieten des Landes sei die Infrastruktur teilweise total zerstört, auch eine Reihe von Kirchengebäuden. Überall würde das Gemeindeleben darunter leiden, dass die Menschen aus ihrem Land flüchteten. Aus Aleppo sind 30.000 Christen geflohen. Zur evangelisch-presbyterianischen Gemeinde in der Stadt gehörten einmal 250 Familien, 70 lebten noch im Februar 2016 dort und keiner könne sagen, wie viele es aktuell sind. Zweimal sei die Kirche der Gemeinde zerstört worden, konnte jedoch zu Weihnachten 2015 wieder eröffnet werden. Auch die evangelische Schule der Gemeinde, die durch die Evangelisch-reformierte Kirche seit 2015 unterstützt wird, ist in der Lage ihren Betreib aufrecht zu erhalten. Von den inzwischen 700 Schülern sei die Mehrheit Muslime. Mit ihren Schulen, so Thomas Fender, zeige die evangelische Kirche in Syrien Gesicht gegen eine menschenverachtende Ideologie und gegen Fanatismus.

Fender berichtet von großer Verzweiflung unter den in Syrien verbliebenen Christen. Viele stellten die Frage, warum die westliche Welt einen so verheerenden Krieg zulasse. Bei vielen Menschen gebe es Ärger über die Flüchtlinge, die nach Europa gegangen sind. Und er habe den Vorwurf gehört: „Die Flüchtlinge empfangt ihr mit offenen Armen und was ist mit uns? Uns nehmt ihr nicht wahr.“

Fender warb dafür, die im Jahr 2015 aufgebauten Kontakte zu den Christen im Nahen Osten zu vertiefen und zitierte aus einer Erklärung der Gesamtsynode zur Ökumene von vor 20 Jahren: „Die ökumenische Existenz der Kirche stellt die Aufgabe, die Einheit der Kirche zu leben und so Zeichen zu setzen für die Zusammengehörigkeit der Menschen.“ Im August komme der Generalsekretär der  Evangelischen Kirche in Syrien und im Libanon, Joseph Kassab, nach Deutschland und könne auch von der Evangelisch-reformierten Kirche empfangen werden um auf diesem Weg zu einer Kirchenpartnerschaft zu kommen.


Der Bericht von Ökumenepastor Thomas Fender als pdf

Zur weiteren Information:

“Growing Together in Partnership in Times of Crisis” Abschlussdokument der zweiten Konferenz der Evangelische Nationalsynode von Syrien und Libanon (NESSL) & ihrer Partner, Libanon, 10. – 17. April 2016
(Originaldokument in englischer Sprache)

Übersetzung des Dokuments in deutscher Sprache